Natürlich gestaltet sich dieses Recht in seiner praktischen Anwendung als überaus kompliziert, muss sich unsere Gesellschaft wie alle anderen menschlichen Organisationen auch mit Gewalt und deren Vermeidung auseinander setzen. Aber aus der Direktheit der Formulierungen ist schon ersichtlich, dass hier ein sehr, sehr hoher Anspruch sowohl an den Gesetzgeber als auch den Bürger gesetzt und eingefordert wird. Nicht alle Rechtstraditionen der Demokratien berufen sich auf den Begriff der Würde. Aber alle in der UN organisierten Staaten 1 verwenden auf jeden Fall den Begriff der Menschenrechte, der in seiner Bedeutung der Menschenwürde nahezu ebenbürtig ist. Trotzdem findet sich im Begriff der Menschenrechte, der eine etwas andere Definition 2 besitzt, die unter anderen die Rechte auf Glück, Sicherheit und dem Erwerb von Besitz vorsehen, nicht all das wieder, was im Grundgesetz und seinen Kommentaren dargelegt wird. Andere Ableitungen in der Welt zu den Menschenrechten sehen eine Grundlage im Utilitarismus 3 oder in einer anderen Vertragstheorie. Allerdings ist das dann schon im Grunde nur noch ansatzweise mit der Menschenwürde vergleichbar, wie sie im deutschen Kulturkreis gesehen wird. Ich fände es sehr bedenklich, wenn auch wir die Menschenwürde im Geiste durch die Menschenrechte ablösen würden, denn die Würde im Sinne des Grundgesetzes ist viel, viel mehr. Der Begriff der Würde ist, das sei noch schnell ergänzend erwähnt, in nahezu allen Weltreligionen vertreten 4 Daher erschließt sich auch mir nicht, dass dieses sehr hohe Gut zunehmend in Vergessenheit gerät und nahezu unbeachtet im Grundgesetz einen wenig beachteten Platz einzunehmen scheint.
- Das sind lediglich Abchasien, Cookinseln, Kosovo, Niue, Taiwan, Nordzypern, Sahara, Somaliland Südossetien, Transnistrien, Palästina (Beobachterstatus bei der UNO wie der Vatikanstaat). ↩
- Zitate und Auszüge aus Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenwürde)
Nach Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 sind alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.
Die Verfassungen vieler Demokratien schützen Rechte und Freiheiten an sich, ohne Bezug auf ein Prinzip der Menschenwürde. Die Bill of Rights von 1776 beispielsweise benennt als unveräußerliche Rechte „Recht auf Leben und Freiheit und dazu die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben und zu behalten und Glück und Sicherheit zu erstreben und zu erlangen“. ↩
- Zitate und Auszüge aus Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/utilitarismus) Der Utilitarismus (lat. utilitas, Nutzen, Vorteil) ist eine Form der zweckorientierten (teleologischen) Ethik, die in verschiedenen Varianten auftritt. Auf eine klassische Grundformel reduziert besagt er, dass eine Handlung genau dann moralisch richtig ist, wenn sie den aggregierten Gesamtnutzen, d. h. die Summe des Wohlergehens aller Betroffenen, maximiert. ↩
- Zitate und Auszüge aus Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenwürde)
Samuel von Pufendorf (1632–1694) erklärt: „Der Mensch ist von höchster Würde, weil er eine Seele hat, die ausgezeichnet ist durch das Licht des Verstandes, durch die Fähigkeit, die Dinge zu beurteilen und sich frei zu entscheiden, und die sich in vielen Künsten auskennt.“ Damit verbindet Pufendorf die Idee der Menschenwürde mit der Idee der Seele, mit der Idee der Vernunft und mit der Idee der Entscheidungs-Freiheit.
Auch außereuropäische Religionen und Philosophien wie der Islam, der Buddhismus und der Konfuzianismus kennen die Anerkennung des Werts und der Würde des einzelnen Menschenlebens. ↩