Wir haben ein Problem mit Flüchtlingen?
Wir können doch nicht alle aufnehmen, die hier bei uns leben wollen?
Müssen wir die Menschen daran hindern, entweder zu uns zu kommen oder ihr Ziel –Europa- erreichen zu können?
So oder so ähnlich sind die Fragestellungen, die heute angesichts der Lage in der Flüchtlingswelt in den Medien gestellt werden und die immer sich immer wiederholend durch den Ether geistern. Die Fragen sind akut. Sie sind bewegend und fordern schnelle Maßnahmen, wenn wir das „Menschenrecht“ – von dem wir so gerne reden – auch in Zukunft erst nehmen wollen.
Doch sollten in meiner Vorstellung die Fragen anders gestellt werden. Da ist zunächst einmal nach den Gründen zu fragen, weshalb so viele Menschen sich auf den Weg machen. Das sind ja nicht ausschließlich die wirtschaftlichen Lebensbedingungen, die die Menschen in eine gefährliche Wanderung drängen. Dann ist zu fragen, aus welchem Hintergrund heraus die vielen Konflikte stammen, mit denen Kriege und Unruhen begründet und geführt werden. Und es sei die Frage erlaubt, was wir als Einwanderungsland tun können um die gegebenen Situationen zu befrieden.
Doch zunächst und in aller Eile ist zu fragen, was jetzt unmittelbar und ohne „Wenn und Aber“ zu tun ist, um das Massensterben in Booten, in LKW-Laderäumen und in unmenschlichen Camps vor Zäumen und Grenzposten zu beenden. Und ist es sinnvoll, diese Menschen von geldgierigen Geiern weiterhin ausrauben und quälen zu lassen. Wir haben es auf dem Fluchtweg weiterhin mit Regierungen zu tun, die diese Menschen schnell wieder loswerden wollen. Angesichts der prekären sozialen und wirtschaftlichen Lagen in diesen Ländern ist das doch auch durchaus nachvollziehbar. Griechenland, Mazedonien, Serbien geht es wirtschaftlich zur Zeit nicht gut. Um die flüchtenden Menschen vor Schleusern, Naturgewalten und Ablehnung zu schützen müssen wir sie abholen, und zwar dort, wo sie erstmals ihr Ziel klar artikulieren, in Libyen, in der Türkei, Algerien und Marokko, und wir müssen sie sicher, ohne Risiko, menschenwürdig und ohne ausgeraubt zu werden dorthin geleiten, wohin sie zu gehen gedenken. Es nutzt doch nichts. Sie werden doch sowie so zu uns kommen, und die Wirkung von Abschreckung hat hier doch wirklich keine Grundlage mehr. Nur so wird die Lage sich entspannen. Nur so werden wir den Druck herausnehmen.
Gerade wir in Europa haben doch große Auswanderungswellen erlebt. Die Mehrheit aller weißen Amerikaner stammt aus Europa, und es war die Armut und Hoffnungslosigkeit, die die Menschen vor Jahrzehnten auf die Schiffe gehen ließ. Wir in Europa sollten das verstehen. Heute bewohnen wir das gelobte Land, und wir wohnen dort, wo Hunger, Krankheit und Tod ihren alltäglichen Schrecken verloren haben. Und natürlich machen sich die Hoffnungslosen der Welt auf den Weg zu uns. Und es sind die Starken und Mutigen, die zu uns kommen. Wir sollten sie nicht abweisen!
Viele Menschen sind auf der Flucht vor Kriegen, vor einem Tod, der unverhofft vom Himmel fällt und sinnlos zerstört. Es drängt sich die Frage auf, woher das Zerstörungspotential stammt, mit dem weltweit gebombt, geschossen und gemordet wird. Waffen fallen nicht vom Himmel und wachsen nicht auf Bäumen. Wer versorgt also die mordenden Horden mit Munition, Gewehren, Bomben und Minen? Das kleine Deutschland mit 80 Mio. Menschen ist der drittgrößte Waffenexporteuer der Welt. Da drängt sich mir die Frage auf, ob wir unseren Wohlstand unter anderem auch den Waffen verdanken, die diese Menschen auf die Flucht treibt. Neben Waffen exportieren wir eine Kultur und ein Wirtschaftssystem, dass auf Ausbeutung beruht. Viele Länder der Dritten Welt können solche Systeme gar nicht fahren, weil ihnen dazu alle Grundlagen fehlen. Wir haben trotzdem dieses System auf die ganze Welt ausgedehnt. Und so passiert in der ganzen Welt, was zwangsläufig folgen muss: Einige Wenige bemächtigen sich der wenigen Rohstoffe und Unternehmungen (Oligarchierung) und schaffen um sich herum die Armut und Not, vor der zu fliehen die einzige Chance auf ein gutes Leben ist.
Europa ist reich und kann jede Einwanderung stemmen. Wir brauchen dafür nur ein paar Regeln, geeignete Einrichtungen und vor allen anderen Dingen den nötigen Willen, der Realität ins Auge zu sehen. Wir sind in der Verantwortung, diese Menschen zu schützen. Viel vom dem Leid, dass wir hier fliehen sehen, ist von uns mit verursacht und ursächlich aus unserer Kultur entstanden. Wir können uns hier nicht drücken, nicht wegducken und die Verantwortung abschieben.
WIR SIND GEFRAGT, JETZT!