Wieder einmal (Brexit) mussten wir feststellen, dass Demokratie und Volk zwei Motive und Einheiten darstellen, die nicht bestimmend miteinander operieren sollten. Im alten Griechenland und seinen Städten durfte nur der etablierte Bürger wählen, nicht das ganze Volk, und auch die Väter unseres Grundgesetzes misstrauten dem Volk und seiner Meinung.
Daher wurde die parlamentarische Demokratie eingeführt, man versuchte möglichst ohne eine alles beherrschende Führerfigur (Präsident) auszukommen und mied das Motiv der Volksbefragung. Dieses war eine weise Voraussicht, wie sich heute immer deutlicher herausstellt. Man denke nur an die gescheiterten nordafrikanischen Revolutionen, an die Türkei und das drohende Desaster in GB, Polen, Ungarn und den USA, die Montagsspaziergänge in Städten wie Dresden, und die vielen kleineren Belege im Alltäglichen. Die Ansichten des Volkes, der Masse, um genau zu sein, ist kein Garant für eine stabile demokratische Ordnung. Sie scheint eher sprunghaft, emotional und pathetisch zu reagieren und fällt in blinder Wut und Verzweiflung oft Entscheidungen, die sie bereits in der Verkündung des Ergebnisses schon wieder bereut. Aber so funktionieren Abstimmungen und Wahlen nun einmal nicht, wenn Demokratie sinnvoll gelebt werden will. Die Wahl entscheidet in Deutschland über die politischen Inhalte von vier Jahren, und ein Plebiszit entscheidet endgültig über ein ja oder nein. Diese Stimmabgaben erfordern Voraussicht, Interesse und ein Mindestmaß an Rationalität. Hier geht es nicht um ein Fußballspiel und welche Mannschaft heute feiert und welche den Frust hinunterspülen muss. Hier werden Entscheidungen getroffen, die einschneidende Auswirkungen haben können, für viele Menschen schicksalhaft sind und oftmals nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Das ist niemals Spiel, sondern immer bitterer Ernst.
Unsere moderne Gesellschaft ist eine Angst-Gesellschaft. Angst überwindet regelmäßig den Verstand und ist damit eine der schlimmsten psychischen Störungen unserer Zeit. Sei es die Angst, unangenehme Entscheidungen zu treffen in Politik und Wirtschaft, sei es die Angst vor gesellschaftlichem Abstieg, vor Armut, vor dem Altern und der überall lauernden Gefahr, immer erscheinen in ihrem Auftreten Phasen der Starre und der Depression. Ausgelöst wird Angst in einer Informationsgesellschaft durch vielfältige Motive. Die Angst vor dem Altern zum Beispiel treibt den betroffenen Menschen, von werbenden Medien geweckt, in Drogerien und Apotheken, in denen Produkte angeboten werden, die das Problem lösen, lindern oder übertünchen sollen. Die allgegenwärtige Werbeindustrie sorgt permanent dafür, dass diese Ängste nicht einschlafen, sondern immerzu wachsen und für neuen Umsatz sorgen. Ähnlich bestellt ist es in den anderen bereits genannten Motiven. Immer wirken finanzielle und machtpolitische Interessen in die Aussagen der Medien hinein, deren Geschrei die Ängste der Menschen direkt freilegen.
Das alles war viele Jahre lang kein Problem, denn die betroffenen Menschen projizierten ihre Ängste nicht auf die politischen Systeme, in denen sie auftraten. Schuldig waren wenige Konzerne, einige Banken und die Unvollkommenheit der Wissenschaften und der Technik, vieles schien einfach durchs Leben gegeben und wurde auch nicht hinterfragt. Das hat sich mit der Informationsflut geändert, denn kann jetzt faktisch jede beliebige Aussage aus diesem Informations-Zunami herausdestilliert werden. So ist die vermisste völkische Männlichkeit einiger Pegida-Anhänger doch logisch folgerichtig auf die Bevormundung durch EU, die Unterwanderung durch den Islam und das Fehlen der DM zu begründen? Also ich wäre ja dafür, dass die Lügenpresse sich diesem Defizit mal annähme und das nicht ausschließlich dem politischen Kabarett vorbehalten bliebe. Denn lustig ist diese Ableitung und was damit ausgesagt wird wirklich nicht. Was meint hier wohl der Sprecher mit Männlichkeit? Da ist doch nicht der Zipfel in der Hose gemeint, sondern gemeint ist doch wohl mehr Stärke zu zeigen in Außen- und Militärpolitik.
Angst ist der natürliche Gegenspieler von Demokratie und Freiheit. Sie wird geschürt um auszugrenzen, sich abzugrenzen und durchsetzen zu können. Angst ruft immer nach mehr Macht für mehr Schutz, mehr Ordnung, mehr Gleichschaltung, mehr Führerschaft, mehr Orientierung, mehr Einheit und geht bis zur Aufforderung der Bespitzelung des Nachbarn. All das verträgt sich aber nicht mit Selbstbestimmung, verträgt sich nicht mit Freiheit, der eigentlichen demokratischen Zielvorstellung. Was nottut in dieser Zeit ist Aufklärung, und zwar eine ganz neue Welle der Aufklärung rund um die Systeme von Staat, Wirtschaft und Gruppenzugehörigkeiten. Wendete sich die Aufklärung, über die wir gerne und abgeklärt im Philosophieunterricht berichten, gegen den Anspruch von Adel und Kirche, Gottgegeben zu sein, so muss sich die neue Aufklärung mit der Angst beschäftigen, deren sich Profiteure und Populisten bedienen, um die Masse für egozentrische und narzisstische Vorstellungen und Ziele hinter sich zu scharen.
Meine kleine Bibliothek zu Hause ist klein, trotzdem ist in rund 200 Büchern alles vertreten, was zu Demokratie und Freiheit, Wirtschaft und Politik, Angst und Psychose, zu deren Abhilfe und Heilung zu sagen ist. Es sind nicht die Titel aus den Bestsellerlisten, nicht Titel, die in Büchereien gut sichtbar ausliegen, nicht Titel, die in aller Munde sind. Es sind sehr alte Titel dabei, die gerade wegen ihrem Abstand zum Mainstream die Augen zu öffnen in der Lage sind. Und diese Bücher sind nicht immer spannend und sind nicht immer einfach zu lesen. Aber sie helfen zu verstehen. Es gibt diese Möglichkeiten, zu sinnvollen Wahrheiten zu gelangen, und es gibt Methoden, sehr alte Methoden nebenbei gesagt, die Angst zu erforschen. Im Netz, in sozialen Netzwerken und aktuellen Medien gibt es diese Aufklärung nur sehr, sehr begrenzt, nahezu unsichtbar in wenigen Zeitschriften und auf wenigen Seiten. Sich nur hier zu informieren bedeutet Aufgeben in Resignation.
Lesen sie neben Spiegel-Online auch die Nachdenkseiten, lesen Sie aktuelle Philosophie von Han und Gabriel, Werke der Soziologie und Fachzeitschriften wie Hohe Luft und Psychologie Heute, lesen sie zur System- und Spiele-Theorie und Werke zu neuen Formen für Wirtschaft und Politik, zu bedingungslosem Grundeinkommen und den demokratischen Sozialismus, auch wenn diese ihnen heute noch suspekt erscheinen sollten. Über Wikipedia finden Sie alle Informationen, die Sie brauchen, besonders ganz unten in den Weblinks und den Einzelnachweisen. Nur zu lesen was gefällt ist Stillstand. Aufklärung gibt es nicht im Geschrei der Standardmedien, nicht in Talkshows und nicht in Werbebroschüren, sondern im Buchladen, und selbst hier muss noch gesucht werden. Wahrheiten sind selten in 180 Anschlägen auszudrücken. Das reicht nur noch für Schlagworte. Es lohnt sich, viel genauer hinzuschauen, viel tiefer hineinzugehen. Wir werden bald wieder unsere Vertreter wählen für vier lange Jahre. Kennen Sie das Wahlprogramm der Partei, die Sie wählen wollen? Diese stehen frei zugänglich im Netz. Kennen Sie das Wirken und die Aussagen der Politiker, die in Ihrem Namen Ämter bekleiden werden? Die meisten schreiben Bücher. Noch ist genug Zeit!
Informiert zu sein ist die Grundlage der Selbstbestimmung.
Oder wollen Sie fremdbestimmt werden?
DEMOKRATIE ist nicht sich bedienen zu lassen, sondern selbst aktiv zu sein.