Wie lange soll das Elendsspiel noch weitergehen? Wie lange sehen wir, die Mächtigen und Wohlhabenden dieser Welt, die Vernunft nur auf unserer Seite und die Unvernunft auf Seiten der Anderen. Und dabei kommt es gar nicht darauf an, ob wir Griechenland, die Flüchtlingskatastrophen, Russland oder die Freiheit im Fokus haben. Es ist immer der gleiche Blickwinkel, immer die gleiche Einseitigkeit und immer die gleiche Arroganz.
Wir sehen diese Welt aus dem Fokus des Glücklichen, des Erfolgreichen und des Mächtigen heraus, und wir verweigern uns selbst und anderen die Schlussfolgerung, dass wo Glück auftritt auch Pech, wo Erfolg auftritt auch Misserfolg, wo Macht auftritt auch Ohnmacht und wo Freiheit ist auch Unfreiheit sein muss. Und wir verschließen die Augen vor den Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind.
Wenn wir die Börsennachrichten aufschlagen, können wir Glück und Pech in Reinform betrachten. Da werden sie exakt aufgelistet, die Gewinner und die Verlierer, und tatsächlich nennen wir sie auch genauso. Und immer wieder müssten wir uns eigentlich dabei ertappen, wie wir den Glücklichen nachzufolgen versuchen und uns vom den Unglücklichen abwenden. Und wir übersehen, dass es hier ganz und gar nicht fair zugeht. Denn mit viel Geld, meist durch Glück erworben, lassen sich die Spielregeln leicht aushebeln.
Der Erfolg ist dem Glück artverwandt. Natürlich kann jeder Erfolg haben mit einer Idee zur rechten Zeit. In der Praxis aber können nur wenige aus dem Erfolg ins Glück aufsteigen. Der Zweite oder Dritte bereits wird zwar noch zu den Erfolgreichen gehören können, aber zu einem Glücklichen wird es schon nicht mehr reichen. Viele Erfolgreiche segeln im Windschatten der Glücklichen, um bei passender Gelegenheit zu überholen. Aber auch hier wird es wieder nur den Einen geben, der sein Ziel erreicht. Alle anderen bleiben wieder auf der Strecke.
Wo Glück nicht wirkt und der Weg des Erfolgs zu schwer zu beschreiten ist kann der Umweg über die Macht zum Zuge kommen. Dieser Weg wird beschritten durch das Hochdienen in Organisationen, die das Erringen von Macht zum Ziel haben und die meist nicht einmal mehr gegründet werden müssen, da sie in ausreichender Menge bereits vorhanden sind. Wir können sehr einfach an den Parteien beobachten, und zwar an der Art und Weise, wie diese einst entstanden sind und wie schwer es ist, eine Neugründung durchzubringen. Aufsteigen kann aber in einer solchen Organisation oft nur der Konforme, der Wendige ohne eigene Kontur.
Und wir müssen unsere Vorstellungen von Freiheit hinterfragen. Wenn wir Freiheit nur mit Demokratie, Macht und Erfolg verknüpfen und alle anderen Systeme unfrei nennen, werden wir die Probleme der Welt nicht lösen. Freiheit kann nur mit Verantwortung für das große Ganze einhergehen. Das große Ganze schließt aber immer Unglückliche, Verlierer und Machtlose mit ein.
Eine Lösung im Detail habe ich für diese Problematik nicht. Es liegt nicht im System, nicht in der Tradition oder Vernunft begründet. Es gab nämlich auch großartige Despoten und sehr erbärmliche Visionäre. Und Glück und Erfolg gedeiht auch oft in unfreier Umgebung.
Worauf es vielmehr zu schauen gilt ist in der Begrifflichkeit der Teilhabe undeutlich umschrieben. Es käme darauf an, den Unglücklichen, den Erfolglosen und Machtlosen Teilhabe zu gestatten. Wir, die Glücklichen, Erfolgreichen und Mächtigen müssten einsehen, dass eine Teilhabe der Anderen in unserem Interesse liegt. Wir gewähren Teilhabe nicht weiter, sondern sehen Teilhabe als Notwendigkeit. Was wir brauchen ist Einsicht.
Teilhabe ist das Gegenteil von Ausbeutung. Wir beuten heute die Menschen in Griechenland mit dem Schuldenberg aus, dem wir Glücklichen ihnen aufgedrängt haben indem wir jetzt Zinsen verlangen von Etwas, was die Menschen dort niemals bekommen haben. Wir beuten die dritte Welt aus, indem wir ihre Rohstoffe stehlen und ihnen den Preis dafür vorenthalten. Wir grenzen uns ab vor den Regionen der Verlierer, drücken dort unsere Werte und Grundsätze durch, die doch nicht überall anwendbar sind und oft auch anders verstanden werden. Und wir teilen die Welt auf in Freunde und Feinde, damit der schwarze Peter woanders gesucht werden kann.
Wir müssen abgeben lernen, an Griechen, an Flüchtlinge und Verlierer. Wir müssten lernen, das Kulturen ihre eigenen Verfahrensweisen haben, mit Gerechtigkeit umzugehen. Und wir müssen Mittel und Wege finden, die Armen, Schwachen und Verlorenen einerseits zu schützen und sie andererseits wieder einzubinden in das Große und Ganze. Und wir müssten unsere Feindbilder aufgeben. All das wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Und was für die Welt im Großen gilt, wirkt auch im Kleinen. Innerhalb von Gesellschaften, Völkern, Staaten und Familien wirken die gleichen Prinzipien, gelten die gleichen Gesetze. Wir müssen einsehen, dass Teilhabe notwendig ist, teilhabe für Menschen, Tiere, Pflanzen und Erde in all ihren Erscheinungsformen.
In der Praxis des jetzt und hier heißt das, dass wir in den eingangs erwähnten Problemstellungen…
…Griechenland einen Neuanfang ermöglich müssen, ohne deren Schuldenberg zu vergrößern (Schuldenschnitt).
…wir Flüchtlinge mit offenen Armen aufnehmen und ihnen helfen müssen, sich zu bewähren. Sie sollten Menschen sein können unter Menschen, egal wo sie herkommen und/oder an was sie glauben.
…wir Russland nicht als Feind ansehen dürfen, Krim hin, Krim her. Deren Bewohner haben sich doch eh mehrheitlich für Russland entschieden. Nur das zählt.
…wir den Heiligenschein „Freiheit“, den US-Amerika in unseren Augen noch immer zu tragen scheint, endlich wahrnehmen als das, was er in Wirklichkeit ist: eine Ablenkung vor Perversion und kollektiver Egozentrik.