Peschmerga – Risiko und Chance

In der internationalen Presse wird Unterstützung und Aufrüstung der Freiheitsbewegung der Kurden gefordert, die sich selbst Peschmerga nennen. Der Grund dafür liegt darin, dass diese Kämpfer die einzigen in der Region des Irak und angrenzender Gebiete sind, die den fundamentalistisch orientierten IS-Kämpfern Paroli und damit verbunden anderen religiösen Minderheiten Schutz bieten könnte. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn… wenn da die Erfahrung mit Freiheitsbewegungen und vor allem den durch sie betroffenen Staaten nicht eine andere Sprache sprechen würde.
Die Kurden sind ein eigenständiges Volk, mit eigener Sprache, Kultur und Historie. Das hat aber weder die Franzosen und Engländer, die Perser, die Osmanen, die Araber oder die Türken daran gehindert, die Siedlungsgebiete der Kurden besetzt zu halten. Auch nach dem Sieg der Europäer (F, GB) gegen das osmanische Reich erhielten die Kurden keinen eigenen Staat, sondern wurden auf die neu formierten Staaten Türkei, Syrien, Irak, Iran und Armenien aufgeteilt. Seit Jahrzehnten kämpfen daher bewaffnete Freiheitsbewegungen dieses Volkes für ihr Recht auf Selbstbestimmung und einen eigenen Staat. Es sind ja nicht nur ein paar wenige Kurden auf dieser Welt, sondern dieses Volk zählt 35-40 Millionen Menschen.
Nun möchte man sich dieser Kämpfer bedienen, um die IS-Bewegung zu bekämpfen, die das Machtvakuum nach Abzug der Amerikaner ausnutzend sich im Irak und angrenzenden Gebieten ihren Traum von einen Kalifat erstreiten möchte. Eine brisante Situation ist damit entstanden, in der das Recht auf Leben und Unversehrtheit wenig zu zählen scheint und Grenzen und Staaten und andere Vorstellung von Souveränität über den Haufen geworfen zu sein scheinen. Die Aufrüstung und Unterstützung der kurdischen Kämpfer bietet da eine einfache, schnelle und – für die sogenannte freie Welt – unblutige Lösung. Aber ganz so einfach ist es leider dann doch nicht!
Denn nehmen wir einmal an, diesen Kämpfern, aufgerüstet und durch Luftschläge der Amerikaner unterstützt, gelingt es, dem Morden und Erobern der IS Einhalt zu gebieten. Dann steht dort ein bewaffnetes siegreiches Volk, das auch für sich Gerechtigkeit fordern wird. Und wie werden diese Menschen dann reagieren, wenn sie feststellen, dass weder die Türkei noch Irak oder Iran oder gar die Weltgemeinschaft bereit ist, ihre Forderung zu erfüllen. Werden sie dann freiwillig ihre Waffen wieder abgeben und sich weiter unterdrücken lassen. Ich denke eher nicht!
Aber bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Die Kurden haben wie viele andere Völker auch das Recht auf einen eigenen Staat, und ich finde alle beteiligten Mächte sollten sich überlegen, wie das zu bewerkstelligen sein könnte, ohne erneut ein Pulverfass zu entzünden. Gerade Amerika und Europa haben ja schon immer gerne in weit entfernten Regionen lange Lunten an Pulverfässer gelegt, sich aber immer rechtzeitig noch vor den Explosionen aus dem Staube machen können und die zurückbleibenden Menschen ihrem Schicksal überlassen. Afghanistan, Libyen und Irak sind die neuesten und aktuellsten Beispiele. Langsam sollten diese Erfahrungen auch in den Köpfen derer Raum gewonnen haben, die sich gerne solch einfacher Lösungen bedienen.
Erst wenn die Türkei, Syrien, Iran und Irak bereit sind, in irgendeiner Weise den Kurden ihr Recht auf Selbstbestimmung zu ermöglichen, kann und darf man die Freiheitsbewegung dieses Volkes aufrüsten. Ansonsten entsteht nur ein neuer Krisenherd, der einen alten ablöst. Für Themen solcher Brisanz gibt es nur eine einzige Lösung, und diese heißt unter Führung der UN eine für alle Beteiligten tragbare und zukunftsträchtige Lösung zu finden, auch wenn dabei Grenzen neu gezogen und Macht neu verteilt werden muss. Das Siedlungsgebiet der Kurden ist riesig und überwiegend auch nur von Kurden bewohnt, und ich finde die Menschen dort sollten frei entscheiden dürfen, wie sie regiert werden wollen. Und wenn sie sich dann entscheiden, ihr Land zu verteidigen und darin lebenden Menschen zu schützen ist das legitim und rechtens. Alles andere ist nur hinterlistige Machtpolitik und dient den Menschen nicht.
Und wenn Menschen zu schützen sind, jetzt sofort, dann ist die internationale Gemeinschaft gefragt. Sie verfügt über hochbewaffnete Truppen in einem Ausmaß, dem sich keine Macht wird entziehen können. Alle anderen Überlegungen sind feige und inkonsequent.

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