Neuwahlen statt Propaganda

Bisher war das Thema Propaganda im offiziellen Sprachgebrauch nur im Netz präsent und dann meist auf Kanälen und Seiten, die von der etablierten Presse und den Bildmedien gerne mal als Querfront, als Verschwörungstheorieportal oder als Egozentrik Darstellung angesehen, oder besser ausgedrückt  denunziert wurden. Das ändert sich gerade. Wenn wie am vergangenen Wochenende Vertreter der an den Regierungsbildungsverhandlungen beteiligten Parteien ihre Ansichten in den Ether hinausblasen, was denn das zusammengestoppelte Papier wert sei, wozu es eigentlich erstellt wurde, wozu es als Grundlage dienen solle und sich dabei diffamierender und herabwürdigender Sprachwendungen bedienen, muss man feststellen, dass die Propaganda mittlerweile sogar in ihrer billigsten Form in den breiten Informationsmedien angekommen ist. Nicht dass es dort bisher keine Propaganda gegeben hätte, nein, aber bisher war das zumindest noch in professionellen Sprachgestalten versteckt und so ohne weiteres nicht offen erkennbar.

Also mal Futter bei die Fische. Letze Woche haben sich die Spitzen dreier Parteien getroffen, um zu sondieren, ob es also möglich sei, trotz bisher anders geäußerten Überzeugungen und auf nachdrücklichen Wunsch des Bundespräsidenten reagierend zu einer Koalition zwischen den Parteien zu kommen. Eine Sondierung hat schon vom Wort her den Zweck, in Gesprächen herauszufinden, ob es lohnt, ernsthaft über eine Koalition zu verhandeln. Lohnen würde sich eine Verhandlung, wenn die Bereitschaft zu Kompromissen gegeben und eine Annäherung der Standpunkte möglich sind. Sie dient letztlich der Aufgabe, sinnlose und langwierige Verhandlungen gar nicht erst zuzulassen und so schnell den Weg für andere Überlegungen zu öffnen. Anders ausgedrückt saßen hier Politiker zusammen, um herauszufinden, ob sie überhaupt miteinander können.

Aus den Ergebnissen dieser kurzen Gesprächen (fünf Tage), wie jetzt in allen Medien übergreifend hinausposaunt wurde, ein Grundlagenpapier für Regierungsarbeit ausformen zu wollen und alles nicht Genannte endgültig für vier Jahre ausschließen zu wollen ist einfach nur albern. Da verstehen einige Politiker der C-Parteien ihr Geschäft nicht, noch nicht oder nicht mehr. Das war nur eine Sondierung, also ein nachschauen, ob man seine oft geäußerte Ansicht (Merkel: SPD – nicht regierungsfähig) und Absicht (Schulz –keine weitere Zusammenarbeit mit CD(S)U) doch noch ändern könne. Sonst nichts. Daher die kurze Zeitspanne, daher jetzt die Beratungen in den Gremien, und daher ein Sonderparteitag, auf dem das dann zu einer Aussage geformt werden kann. Wir leben in einer Demokratie. Hier bestimmen nicht ein paar selbsternannte Spitzenvertreter einer Partei das Wohl eines Volkes im Alleingang, sondern hier üben zumindest mal die Mitglieder einer Partei ihr Mitspracherecht aus. Dass so etwas bei den C-Parteien nicht üblich ist, mag ich ja verstehen, gutheißen kann ich es aber nicht.

Ich finde, man sollte zumindest ansatzweise als Politiker schon tun, was man angekündigt hat. Sondieren heißt vorfühlen, verhandeln heißt einen Rahmen bestimmen, und beschließen heißt es dann festzumachen. Alles andere ist Kokolores, dummes Herumgerede und ist bestenfalls nur noch stumpfsinnige Propaganda mit dem Ziel, den politischen Gegner zu denunzieren.  Man mag von unserem Regierungssystem halten was man will, aber das zumindest ist die Grundlage von Repräsentanz der Versuch der Parteien, den Willen ihrer Wähler ein- und durchzusetzen. Wer  das schon nicht mehr beherrscht, sollte nicht Politiker werden, sondern beim Eseltreiben bleiben.

Die repräsentative Demokratie verkommt auf die heute gezeigte Weise zunehmend zu einem Forum von Selbstdarstellern, deren einzige Gabe die Verbreitung von Plattitüden zu sein scheint. Das gewählte Bundestagsabgeordnete, also Vertreter des Volkes, sich derart vorführen lassen und sich nur noch mit dem Absegnen  der Entscheidungen einer selbsternannte Eliten-Elite (Parteifunktionäre) beschäftigen, ist ein klares Zeichen dafür, dass diese unsere viel gepriesene Regierungsform der repräsentativen Demokratie mit einen Parteiensystem abgewirtschaftet hat. So wird Demokratie ins Gegenteil ihrer Aufgabe gedreht, in eine Form also, die Demokratie zu verhindern sucht und in der der Wille des Volkes nicht mehr zählt. Eine Mehrheit der Wähler will nach allen Umfragen keine neue Groko, was nach den Leistungen der letzten Jahre auch nicht verwunderlich ist. In der jetzigen Lage sind Neuwahlen, gerade nachdem die einzige Groko-Alternative Jamaika als gescheitert sich zu erkennen gab, die einzig wählerachtende Reaktion. Ich finde, der Wähler sollte die Möglichkeit bekommen, die Auswirkung seiner Stimmabgabe vom September, die jetzt klar und deutlich auf dem Tisch liegt und die mittlerweile auch schon in aller Breite erkannt werden konnte, zu bedenken und sollte aufgefordert sein, neu zu entscheiden.

Und was spricht eigentlich gegen eine Regierung, die parteiübergreifend vom Parlament gewählt wurde und sich mit wechselnden Mehrheiten an die Gesetzgebungsarbeit macht. Da würde dann nicht Proporz, sondern Mehrheit entscheiden, müsste für jeden Entwurf einzeln diskutiert und verhandelt werden, wäre Meinungsbildung und Wissen die Grundlage der Entscheidung jedes Abgeordneten. Keine leeren Reihen wären dann mehr zu sehen, es gäbe keinen Fraktionszwang mehr und wahrscheinlich gäbe es bald auch keine polemischen leeren Redenhülsen mehr im Bundestag, sondern dem Volk würde sich ein arbeitendes Parlament mit ihrem Gewissen unterworfenen Mitgliedern präsentieren. Wäre das nicht die Vorstellung von Politik, die uns zusagen würde? Und wenn sich die wenigen Damen und vielen Herren nicht einigen können, könnten wir das Volk befragen. Die Schweizer können das doch auch, und in Zeiten der Digitalisierung sollte das selbst im EDV-rückständigen Deutschland kein Problem mehr sein. Man müsste halt nur wollen…

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert